Tom Franz: „Ich könnte ein Shakshuka-Restaurant aufmachen“

Fotografie © Dan Peretz, AT VerlagTom Franz ist Gewinner der israelischen Kochshow „Masterchef“, Kochbuchautor und kulinarischer Botschafter zwischen Deutschland und Israel. Klar, dass ich den gebürtigen Rheinländer auf meiner kulinarischen Weltreise besuche. Denn wer könnte mir besser erklären, wie Israel schmeckt, als der Autor von „So schmeckt Israel“.

Nach den ersten Minuten des Telefonats mit Tom Franz ist klar: Shakshuka wird das Gericht, mit dem ich Israel bereise. Es handelt sich dabei um Eier, die in einer pikanten Tomatensauce pochiert werden. Ursprünglich kommt Shakshuka aus Nordafrika und ist heute in Israel allgegenwärtig – vor allem zum Frühstück. Klingt lecker, war aber nicht von Anfang an nach Toms Geschmack. Im Interview verrät er das Geheimnis einer guten Shakshuka, warum Essen in Israel eine so große Rolle spielt und dass er mit seinen Kochkünsten Menschen zu Tränen rühren kann.

Erinnerst du dich an das erste Mal, als du Shakshuka gegessen hast?

Tom Franz: Ich kann mich daran erinnern und ich erinnere mich auch, dass mir das damals gar nicht so gut geschmeckt hat. Ich hab in den 90er Jahren Friedensdienst in Israel gemacht und hier in einem Krankenhaus gearbeitet. Das Essen in dem Krankenhaus war nicht so toll, aber in dem Alter besser als Zuhause selber zu kochen. Und einmal in der Woche gab es abends Shakshuka. Ich hab das zwar immer gegessen, aber hinterher ist mir immer die Paprika hoch gekommen.

Das Shakshuka-Rezept in deinem Kochbuch ist ohne Paprika.

Man kann Shakshuka mit Paprika und ohne Paprika machen. Und ich bin jemand, der mit Paprika echt ein Problem hat. Ich krieg davon Sodbrennen, wenn das nicht ganz scharf gebraten sondern weich gekocht ist.

Warum hast du das Gericht denn überhaupt in deinem Kochbuch?

Nach meinem Friedensdienst war ich acht Jahre nicht mehr in Israel, aber ich hab mich acht Jahre lang immer an dieses Shakshuka erinnert. Irgendwann habe ich ohne Rezept und ohne Internet versucht, das Gericht aus der Erinnerung heraus nachzukochen. Und das wurde dann immer besser und heute mache ich fantastische Shakshuka: Ich glaube, ich könnte ein Shakshuka-Restaurant aufmachen.

So sieht Shakshuka bei Tom Franz aus. Fotografie © Dan Peretz, AT Verlag

Gibt es Shakshuka auch in anderen Ländern oder nur in Israel?

In Nordafrika ist das heiß, zum Beispiel in Marokko und Tunesien. Die Juden, die von da nach Israel eingewandert sind, haben das mitgebracht. Es gibt hier in Israel kein Café, in dem es das Gericht nicht gibt. Es gibt sogar Restaurants, die machen nur Shakshuka.

Wie oft isst du Shakshuka?

Shakshuka mache ich mindestens einmal, wenn nicht zweimal die Woche bei mir Zuhause, um es selber zu essen. Am liebsten esse ich es zum Abendessen. Aber es wird hier meistens morgens gegessen.

Ist die Zubereitung sehr aufwändig?

Wenn man ein richtig gutes Ergebnis haben will, dann dauert das schon zwischen drei und vier Stunden. So lange brauchen die Tomaten bis sie reduzieren und das macht man auf einer kleinen Temperatur. Aber erst dann kommt man zum perfekten Geschmack. Ich mache mir aber meistens einen Vorrat von der Grundsauce, die so ähnlich wie ein Sugo ist. Die kann man wunderbar in einer größeren Menge zubereiten und einfrieren. Wenn ich nach Hause komme und es schnell gehen muss, wird einfach die Sauce in einer Pfanne erhitzt und dann kommen die Eier rein. Mit einer Scheibe frischem Brot ist das eine wunderbare Mahlzeit.

Der Vorsitzende des libanesischen Industrieverbandes hat vor ein paar Jahren vor Gericht geklagt, dass Falafel, Humus und Taboulé keine israelischen Gerichte seien. Viele Zeitungen nannten das damals den Humus- bzw. Falafel-Krieg. Ist Shakshuka ein Gericht, in dem sich der Nahost-Konflikt nicht widerspiegelt?

Ich bin grundsätzlich dagegen, den Konflikt in die Gerichte reinzubringen. Ganz im Gegenteil. Ich vertrete eher die Meinung, dass das gemeinsame Kochen und das gemeinsame Essen den Konflikt überwindet. Es ist zum Beispiel so, dass bestimmt die Hälfte der jüdischen Israelis, wenn sie gefragt werden, wo sie am liebsten Humus essen, ein arabisches Restaurant angeben. Es gibt Humus-Tourismus hier. Die Leute fahren weit, um guten Humus zu essen. Und die fahren auch in die arabischen Dörfer dafür und scheuen die arabischen Nachbarn nicht.

Dein Buch heißt „So schmeckt Israel“. Wie schmeckt Israel denn?

Israel ist eine unglaubliche Vielfalt an Geschmäckern, Gerüchen und Farben. Wenn man durch die Märkte geht, bekommt man einen Eindruck davon, was möglich ist und wird inspiriert. In Israel leben Menschen aus 80 Nationen und die haben alle ihre Küchen mitgebracht. Die israelische Küche ist zum Beispiel beeinflusst worden von der persischen, russischen, italienischen und deutschen Küche. Sie ist ein Melting Pot par excellence. Außerdem hat das Land vier Klimazonen. Auf der einen Seite ist das Mittelmeer, auf der anderen Seite haben wir die Berge. Dabei ist es gerade mal so groß wie Hessen.

Fotografie © Dan Peretz, AT Verlag

Wie wird in Israel gegessen?

Ich denke, es ist hier wie in allen anderen Industrienationen. Viele Familien haben nicht die Möglichkeit mehr als eine Mahlzeit am Tag gemeinsam zu sich zu nehmen. Aber es gibt eine Mahlzeit in der Woche, die den Kern des Familienlebens bildet und das ist das Abendessen am Freitagabend. Vom Aufwand her ist die Mahlzeit so groß wie in Deutschland an Weihnachten oder Ostern. Da wird die ganze Palette aufgetischt und das jede Woche.

Welche Gerichte gibt es da?

Grundsätzlich sind die Gerichte, die an Sabbat gemacht werden vom Kulinarischen her etwas anders. An Sabbat dürfen wir nicht kochen, wir dürfen nichts Neues initiieren. Deswegen wird das alles am Freitag vorbereitet, teilweise auch schon am Donnerstag oder Mittwoch. Dann wird das freitags kurz vor Sonnenuntergang erwärmt und dann bis zum Sabbat warmgehalten. Und die Gerichte sind auf das Warmhalten abgestimmt. Man würde am Freitagabend in einer traditionellen Familie bestimmt kein Steak kriegen, denn ein Steak, das warmgehalten wird, schmeckt nicht. Es gibt aber ganz viele Gerichte, die warmgehalten perfekt sind. Das heißt es hat sich eine Küche um die religiösen Regeln herum entwickelt. Die Regeln prägen die Gerichte. Das sind Gerichte, die durch das Warmhalten immer bessern werden und nicht verbrennen oder austrocknen oder anders an Qualität verlieren.

Was bedeutet Essen in Israel?

Ich glaube, Essen ist den Israelis wichtiger als den Deutschen. Insgesamt nehmen sich die Leute hier mehr Zeit dafür und geben dafür auch mehr Geld aus. Die Cafés und Restaurants sind hier immer voll. Das familiäre Zusammenkommen zum Essen kenne ich aus Deutschland nur an Feiertagen, hier findet das wie gesagt wöchentlich statt.

Hängt das mit dem Judentum zusammen?

Bestimmt. Das ganze Essen ist hochspirituell im Judentum und hat deswegen einen viel höheren Stellenwert. In anderen Kulturen ist das nicht so stark. Das Christentum ist die einzige Religion, die keine Beschränkungen beim Essen hat und das Judentum hat hingegen die strengsten Beschränkungen.

Was sind das für Beschränkungen?

Es gibt grobe Regeln, die das Ganze einteilen, aber dann geht das runter bis ins kleinste Detail. Da gibt es ganze Bücher darüber. Man steckt sich zum Beispiel nichts in dem Mund, das nicht gesegnet wurde und danach dankt man Gott. Nichts Fleischiges mit etwas Milchigem zusammen essen, keine Meeresfrüchte, kein Schwein, die Tiere müssen geschächtet werden, das Genussverbot von Blut und noch viele mehr.

Du bist eigentlich Jurist. Wie bist zum Kochen gekommen?

Ich hab schon während des Jura-Studiums immer viel gekocht, weil ich das gerne gemacht habe. Das war ein reines Hobby und der Großteil des Geldes, das ich im Monat zur Verfügung hatte, ging für Sachen für die Küche drauf. Als ich vor zehn Jahren nach Israel gegangen bin, hab ich hier viel experimentiert mit den Produkten, die man auf den Märkten bekommt. Aber so einen richtigen Schub bekommen hat das dann vor acht Jahren, als ich meine Frau kennengelernt hab. Sie ist eine Food-Expertin, weil sie damals die Öffentlichkeitsarbeit für Restaurants und Chefköche gemacht hat und sie kannte die Szene. Irgendwann habe ich dann abends mal für sie gekocht und es stiegen ihr Tränen auf, sie ließ ihr Besteck fallen und sagte: Wie kannst du denn kochen? Und ich sagte: Ich koche halt so, dass es mir schmeckt.

Was war das denn für ein Gericht, das deine Frau zu Tränen gerührt hat?

Wir wissen es nicht mehr. Wir wussten damals auch nicht, dass es einmal wichtig werden würde. Ich kann mich nur noch an die Tränen erinnern.

Wie war das für dich?

Das war für mich der Stempel drauf, dass ich die Richtige gefunden habe. Und unsere Beziehung hat sich im Wesentlichen immer ums Essen gedreht. Wir sind in Restaurants gegangen und haben zu Hause viel gekocht und Gäste bewirtet. Das wurde dann auch richtig wichtig, denn vorher hat das niemand so geschätzt wie meine Frau. Und sie war es auch, die mir gesagt hat, ich müsse unbedingt zu Masterchef gehen.

Das ist die israelische Castingshow, bei der am Ende nicht der beste Sänger, sondern der beste Koch gekürt wird. Hast du dich gleich angemeldet?

Ich hab mich erst wirklich dagegen gewehrt und wollte das nicht. Reality-TV ist nicht so mein Ding und ferngesehen habe ich auch seit 15 Jahren nicht mehr. Und dann auch noch im Fernsehen auf Hebräisch reden und kochen und sich bewerten lassen von Chefköchen. Das war nicht mein Ding.

Fotografie © Dan Peretz, AT Verlag

In der dritten Staffel warst du dann aber doch dabei.

Ja, da hat meine Frau es irgendwie geschafft, mich nochmal zu beknien. Aber dann habe ich das auch Ernst genommen. Ich hab mich professionell darauf vorbereitet und dafür gelernt wie fürs Jura-Examen. Ich stand in der Küche und hab Gerichte ausprobiert und komponiert und all so was. Und das hat dann gereicht, um den Masterchef von Israel zu gewinnen.

Bei einer Rekordeinschaltquote von 52,3% im Finale. Das halbe Land hat das Finale gesehen. Und heute bist du kulinarischer Botschafter zwischen Israel und Deutschland. Wie findest du die Rolle?

Es ist keine Aufgabe, die ich mir selbst gesucht habe, sondern ein echter Lebensweg. Ich hab das Finale gewonnen und hätte damit Botschafter für Deutschland in Israel werden können. Aber dann kam das deutsche Fernsehen und der Medienrummel in Deutschland ging los. Und so kam dann die Doppel-Botschafter-Rolle zu Stande. Das ist so passiert, aber es passt und es funktioniert.

Du hast mal gesagt, dass es in Israel den Spruch gibt „Das Essen gelingt nur so gut, wie man die Gäste mag“…

…ohne das „nur“: Das Essen gelingt nach den Gästen. Das heißt, so viel Liebe und Zuneigung wie man in sein Essen rein gibt, so gut wird das Essen auch. Und das ist davon abhängig für wen man kocht.

Dann sollte ich also schauen, dass ich Shakshuka für die richtigen Leute koche?

Ja. Je mehr man seine Gäste mag, sich Mühe gibt und mit Liebe kocht, umso besser ist das Ergebnis.


Fotografie © Dan Peretz, AT VerlagDas Buch „So schmeckt Israel“ von Tom Franz ist 2013 im AT Verlag erschienen.

Für wen ich Shakshuka koche und wie das Ergebnis ist, lest ihr hier.